Ihre Erkrankung wurde als Berufskrankheit anerkannt? Wie geht es weiter? Diese und andere Fragen erläutert unser Ratgeber.

Berufskrankheiten: Ursachen, Anerkennung und vorgesehene Leistungen

Letzte Aktualisierung am: 15. August 2024

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Eine Berufskrankheit kann durch Risikofaktoren im Arbeitsumfeld ausgelöst werden

Ihre Erkrankung wurde als Berufskrankheit anerkannt? Wie geht es weiter? Diese und andere Fragen erläutert unser Ratgeber.
Ihre Erkrankung wurde als Berufskrankheit anerkannt? Wie geht es weiter? Diese und andere Fragen erläutert unser Ratgeber.

In der heutigen Arbeitswelt sind sogenannte Berufskrankheiten ein häufig auftretendes Phänomen: Berufsbedingte Risikofaktoren (bspw. ein erhöhte Gefahr für körperliche Verletzungen) oder eine dauerhaft hohe Stressbelastung können das Auftreten einer Berufskrankheit bedingen.

Die Diagnose einer Berufskrankheit kann dabei nicht nur eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der betroffenen Person bedeuten, sondern ebenfalls langfristig negative Konsequenzen auf deren berufliche Laufbahn haben; insbesonders dann, wenn eine Berufsunfähigkeit oder gar eine Erwerbsunfähigkeit die Folge der Erkrankung ist.

Dieser Ratgeber erklärt, was eine Berufskrankheit per Definition ist und welche Erkrankungen gemäß Berufskrankheitenverordnung (BKV) als anerkannte Berufskrankheiten gelten. Außerdem erfahren Sie, wie die Anerkennung einer Berufskrankheit funktioniert und welche Entschädigungsansprüche Ihnen zustehen, wenn Sie eine Berufskrankheit erleiden.

Kompaktwissen: Berufskrankheiten

Was ist eine Berufskrankheit laut Definition

Per Definition ist eine Berufskrankheit eine Krankheit, die berufstätige Personen durch ihre beruflichen Tätigkeit bzw. im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten erleiden.

Was zählt du den Berufskrankheiten?

Um als eine anerkannte Berufskrankheit zu gelten, muss diese in der Anlage 1 (Berufskrankheitenliste) der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt sein. Eine Auflistung der in diesem Sinne anerkannten Erkrankungen erhalten Sie hier.

Was muss ich tun, wenn bei mir der Verdacht auf eine Berufskrankheit besteht?

Betroffenen müssen ihre Erkrankung zunächst dem Arbeitgeber melden, welcher die Berufsgenossenschaft über die Berufskrankheit in Kenntnis setzen muss. Ggf. müssen Sie Ihre Unfallversicherung benachrichtigen. Weitere Informationen zum diesbezüglichen Prozedere erhalten Sie hier.

Welche Entschädigung erhalte ich bei einer Berufskrankheit?

Erkrankte haben Anspruch auf die Kostenübernahme medizinsicher Behandlung oder die Finanzierung von Rehabilitationsmaßnahmen für die körperliche Genesung und die spätere Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Je nach Art bzw. Schwere der Erkrankung stehen betroffenen finanzielle Leistungen in Form von Verletztengeld (bei Arbeitsunfähigkeit) oder Rentenleistungen (bspw. Erwerbsminderungsrente wegen Erwerbsunfähigkeit) zu.

Anerkennung von Berufskrankheiten gemäß BKV

Berufskrankheit: Die Liste der Anlage 1 BKV führt als Berufskrankheiten anerkannten Erkrankungen auf.
Berufskrankheit: Die Liste der Anlage 1 BKV führt als Berufskrankheiten anerkannten Erkrankungen auf.

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet Arbeitgeber dazu, bestimmte Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und Gesundheit ihrer Angestellten zu gewährleisten. Diese Maßnahmen umfassen etwa den allgemeinen Gesundheitsschutz (bspw. die Vermeidung von Schadstoff-Exposition am Arbeitsplatz) und in diesem Sinne auch die Prävention von Berufskrankheiten. Letzteres erfolgt beispielsweise durch die Umsetzung von Sicherheitsstandards, mit denen berufsbedingten Risiken reduziert werden sollen.

Dennoch erleiden zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Verlauf ihrer Arbeitstätigkeit eine berufsbedingte Erkrankung. Gemäß einer Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) registrierten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen im Jahr 2020 insgesamt 106.491 Anzeigen auf Verdacht auf eine Berufskrankheit.

52.956 dieser Verdachtsfälle (also ca. 50%) wurden als beruflich verursachte Erkrankung eingestuft, allerdings wurden hiervon 37.181 als Berufskrankheit anerkannt. Um als Berufskrankheit bewertet zu werden, muss eine Erkrankung in der Anlage 1BKV gelistet sein. Diese ordnet die dort aufgeführten Erkrankungen verschiedenen Gruppen zu, die jeweils eigenen Ursachen und Kriterien für die Anerkennung der Beschwerden als Berufskrankheit umfassen.

Einige Beispiele für Berufskrankheiten gemäß Anlage 1 BKV

Berufskrankheit: Ein bekanntes Beispiel ist die Lärmschwerhörigkeit, an z.B. oft Beschäftige auf dem Bau und in der Forstwirtschaft leiden.
Berufskrankheit: Ein bekanntes Beispiel ist die Lärmschwerhörigkeit, an z.B. oft Beschäftige auf dem Bau und in der Forstwirtschaft leiden.
  • Erkrankungen durch krebserregende Stoffe: bspw. Lungenkrebs durch Asbeststaub, Harnblasenkrebs durch aromatische Amine oder Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung.
  • Erkrankungen wegen anderer Schadstoffe: z.B. Schwermetallvergiftungen (bspw. Bleivergiftung), Lärmschwerhörigkeit, Lungenerkrankungen durch Quarzstaub (Silikose)
  • Erkrankungen durch Infektionen oder aufgrund biologische Einflüsse: bspw. Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Hepatitis etc.), Krankheiten durch Parasiten (z.B. Borreliose, Toxoplasmose etc.)

Um eine Berufskrankheit anerkennen zu lassen, muss nachgewiesen werden, dass die Erkrankung durch bestimmte Arbeitsbedingungen oder Tätigkeiten verursacht wurde. Weiterhin den Belastungen, die zur Erkrankung geführt haben, in einem weitaus höherem Maße ausgesetzt sein als der Rest der Bevölkerung.

Die vollständige Auflistung aller Berufskrankheiten gemäß Anlage 1 BKV können Sie hier einsehen.

Eine Berufskrankheit melden: Vorgeschriebenes Vorgehen

Wenn Sie den Verdacht auf eine Berufskrankheit anzeigen, leitet der Versicherungsträger eine Fallprüfung ein.
Wenn Sie den Verdacht auf eine Berufskrankheit anzeigen, leitet der Versicherungsträger eine Fallprüfung ein.

Sowohl eine betroffene Person oder deren Angehörige dürfen die Meldung einer Berufskrankheit vornehmen. Betriebsärzte und Betriebsärztinnen sowie Arbeitgeber sind dazu verpflichtet ,eine Anzeige einer Berufskrankheit zu unternehmen; auch wenn der Verdacht auf eine Berufskrankheit besteht.

Arbeitgeber müssen den Verdacht auf eine Berufskrankheit oder eine bereits bestätigte Berufskrankheit beim Versicherungsträger melden. Dies ist – je nach Branche und Arbeitsverhältnis – die Berufsgenossenschaft oder die zuständige Unfallkasse. Nach der Meldung ist setzt das nachfolgend geschilderte Prozedere ein.

Untersuchung und Begutachtung

Anerkannte Berufskrankheiten müssen nachweislich von der beruflichen Tätigkeit oder einer damit einhergehenden Gefahrenexposition herrühren.
Anerkannte Berufskrankheiten müssen nachweislich von der beruflichen Tätigkeit oder einer damit einhergehenden Gefahrenexposition herrühren.

Der Versicherungsträger leitet die Prüfung des Falls ein und beauftragt eine Untersuchungskommission aus Fachärztinnen und Fachärzten, um den Verdacht auf die Berufskrankheit zu bestätigen oder abzuschließen.

Diese Kommission untersucht, welchen Belastungen und schädlichen Einflüssen die betroffene Person ausgesetzt war, und inwiefern diese zum Auftreten etwaigen Berufskrankheit geführt haben. Diesbezüglich wird auch jede auskunftsfähige Person (bspw. Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, Betriebsräte oder auch Sicherheitsbeauftrage) wird in die Untersuchung mit einbezogen und befragt.

Außerdem wird die medizinische Vorgeschichte der Person berücksichtigt. Dabei werden frühere Erkrankungen bzw. bereits bestehende chronische Krankheiten, Verletzungen sowie die familiäre Krankheitsgeschichte abgeklärt, um festzustellen, inwiefern diese Faktoren zum Auftreten der Krankheit beigetragen haben können, oder als Ursache ausgeschlossen werden können. Schlussfolgert die Kommission, dass die erkrankte Person am Arbeitsplatz gefährdet war, wird anschließend geklärt, ob diese Belastungsfaktoren tatsächlich eine Berufskrankheit bedingt haben. In diesem Zusammenhang wird auch die medizinische Vorgeschichte der betroffenen Person berücksichtigt.

Dabei werden frühere Erkrankungen bzw. bereits bestehende chronische Krankheiten, Verletzungen sowie die familiäre Krankheitsgeschichte abgeklärt, um festzustellen, inwiefern diese Faktoren zum Auftreten der vorliegenden Krankheit beigetragen haben können, oder als Ursache ausgeschlossen werden können. Vor der endgültigen Entscheidung werden abschließend zuständige Gewerbeärzte und Gewerbeärztinnen in die Untersuchung einbezogen. Sie vertreten die Arbeitsschutzbehörde.

Gut zu wissen: Betroffenen steht es zu, eigene Gutachter und Gutachterinnen vorzuschlagen, um die Meldung einer Berufskrankheit zu prüfen. Voraussetzung ist hierfür, dass es sich bei den vorgeschlagenen Personen um Fachärzte und Fachärztinnen handelt. Die Versicherungsträger akzeptieren in aller Regel keine Allgemeinmedizinerinnen oder Allgemeinmediziner.

Entscheidung und Leistungszuspruch

Eine anerkannte Berufskrankheit kann Vorteile bergen. Einer davon ist der kostenfreie Zugang zu spezialisierten medizinischen Leistungen.
Eine anerkannte Berufskrankheit kann Vorteile bergen. Einer davon ist der kostenfreie Zugang zu spezialisierten medizinischen Leistungen.

Basierend auf den Auswertungen der Untersuchungsergebnisse, entscheidet der Versicherungsträger, ob es er die gemeldete Krankheit als Berufskrankheit anerkennt, und welche Leistungen er der erkrankten Person zuspricht.

Die betroffene Person erfährt durch einen schriftlichen Bescheid, der ihr per Postweg zugestellt wird, ob der Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit angenommen oder abgelehnt wurde. Sie hat nach Erhalt des Bescheid die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Einspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Wurde der Widerspruch abgelehnt, kann Sie vor dem Sozialgericht klagen.

Gut zu wissen: Sie können eine Berufskrankheit auch nachträglich als eine solche anerkennen lassen, wenn der Zusammenhang zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit erst im Nachhinein erkannt wurde. Die Entscheidung über die Anerkennung dieser Berufskrankheiten erfolgt in diesem Fall auf Grundlage bestehender Unteralgen zur Krankheit (medizinische Gutachten, Arbeitsplatzbescheinigungen, Expositionsdaten etc.) und ggf. zusätzlich angeforderter aktueller Gutachten und Untersuchungen.

Berufskrankheit: Welche Entschädigung und Leistungen steht Erkrankten zu?

Konnten Betroffene ihre Erkrankung erfolgreich als Berufskrankheit anerkennen lassen, stehen ihnen – je nach Einzelfall – unterschiedliche Leistungen zu. Hierzu zählen:

  • Übergangsgeld: Dieses wird ausgezahlt, um Einkommenseinbrüche auszugleichen bzw. zu überbrücken, falls die Berufskrankheit das Ende des Beschäftigungsverhältnisses zur Folge hatte.
  • Verletztengeld: Erkrankte haben ein Anrecht auf den Erhalt von Verletztengeld, wenn sie aufgrund ihrer Berufskrankheit arbeitsunfähig werden.
  • Rentenleistungen: In besonders schweren Fällen, in denen die Erkrankung zu einer dauerhaften Erwerbsminderung von mindestens 20 % oder Invalidität geführt hat, können Betroffene eine Erwerbsminderungs-Rente wegen Ihrer Berufskrankheit erhalten.
  • Kostenbernahmen der medizinischen Versorgung: Personen mit anerkannten Berufskrankheiten haben Anrecht auf die Kostenübernahme von Medikamentierung und notwendiger Therapiemaßnahmen (bspw. Krankengymnastik, häusliche Krankenbetreuung etc.)
  • Unterstützungen bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Förderung der Selbstbestimmung: Personen mit anerkannten Berufskrankheiten haben eventuell Anspruch auf Teilhabeleistungen nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX). Diese Leistungen umfassen beispielsweise Hilfen für die Mobilität, technische Hilfsmittel oder Unterstützung bei der Haushaltsführung.
  • Hilfestellungen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt: Menschen, die wegen einer Berufskrankheit berufsunfähig geworden sind, erhalten beispielsweise Umschulungen. Auch etwaig notwendige Umgestaltungen des bisherigen Arbeitsplatzes bei der Rückkehr in den alten Beruf sowie Zuschüsse an den Arbeitgeber sind Teil möglicher Hilfen.

Das Sozialgericht (SG) Duisburg entschied in einem jüngsten Urteil vom 13.02.2023 (Az. S 36 U 38/22), dass eine Corona-Infektion als Berufskrankheit gelten kann, wenn es wegen der Arbeit zur Ansteckung gekommen ist. Das SG erkannte die Corona-Erkrankung einer Kinderpflegerin, die sich während der Pandemie im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten mit dem COVID-19-Virus angesteckt hatte, vollumfänglich als Berufskrankheit an. Das Gericht begründete seine Entscheidung, damit, dass die erkrankte Kinderpflegerin einer besonders hohen Übertragungsgefahr ausgesetzt war. Das Urteil kann wegweisen für zukünftige Entscheidungen sein.

Quellen und weiterführende Links

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