Immer mehr Menschen erwerben in Deutschland einen hohen Bildungsabschluss an einer Hochschule. Doch oft reicht das nicht mehr, um anschließend einfach einen guten Job zu erlangen. Denn Arbeitgeber legen besonders Wert auf praktische Erfahrung. Entsprechend bemühen sich viele um Praktika, in denen sie die gewünschten Einsichten in Berufstätigkeiten erhalten.
Dabei stellt sich mittlerweile für viele die Frage: Wird im Praktikum eigentlich der Mindestlohn gezahlt? Der folgende Ratgeber beschäftigt sich eingängig mit dieser Problematik. Hier erfahren Sie, wovon es abhängt, ob Praktika den Mindestlohn beinhalten, wie der Anspruch in anderen Ländern aussieht und wie festgelegt wird, wer von dieser Lohnhöhe profitiert. Nicht zuletzt erfahren Sie auch, wie ein fehlender Mindestlohn beim Praktikum kompensiert werden kann.
Inhalt
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Kompaktwissen: Mindestlohn im Praktikum
Im Jahr 2015 wurde der Mindestlohn in Deutschland eingeführt.
Bei einem freiwilligen Praktikum, das länger als drei Monate dauert, muss normalerweise der Mindestlohn gezahlt werden.
Dauert das freiwillige Praktikum nicht länger als drei Monate, der Praktikant ist unter 18 und hat keine abgeschlossene Ausbildung oder es geht um ein Pflichtpraktikum, muss kein Mindestlohn gezahlt werden.
Allgemeines zum Mindestlohn
Bevor genau geklärt werden kann, welcher Praktikant Anspruch auf Mindestlohn besitzt, sind einige allgemeine Eckpunkte zum Mindestgehalt aufzuzeigen. So wurde der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland am 1. Januar 2015 eingeführt. Über die Jahre wurde der Betrag angepasst, welcher aktuell 12,82 Euro (Stand: Januar 2025) beträgt – dabei handelt es sich um den stündlichen Bruttolohn.
Mindestlöhne unterscheiden sich teilweise auch in den einzelnen Branchen. So wurde der Grundlohn bei seiner Einführung nicht in allen Bereichen direkt umgesetzt. Es wurden teilweise Übergangsregelungen genutzt, die beispielsweise das Friseurhandwerk bis zum 01. Januar 2017 betroffen haben. Das sollte Unternehmern eine Gelegenheit geben, sich auf die höheren Löhne einzustellen. Seit Januar 2018 gilt der Mindestlohn jedoch relativ flächendeckend.
Doch wer garantiert eigentlich, dass sich Unternehmer an geltende Mindestlohnbestimmungen halten? Die Kontrollinstanz bilden hier die Zollbehörden, welche explizit für diesen Zweck ausgeweitet werden sollten. So gab die Bundesregierung an, dass bis zu 1600 neue Stellen eigens dafür zu besetzen sind. Und tatsächlich kam es beispielsweise im ersten Halbjahr des Jahres 2017 vermehrt zu Kontrollen. Dabei wurde aufgedeckt, dass es weiterhin vermehrt zu Verstößen kommt. Es wurden jedoch auch gezielt Branchen überprüft, bei denen eher mit Schwarzarbeit und Mindestlohnvergehen zu rechnen ist.
Vorteile des Mindestlohns
Wie bereits erwähnt, will die Bundesregierung mit der Einführung des Mindestlohns gegen Niedriglohnsektoren vorgehen, die unter anderem durch ausländische Arbeitskräfte entstehen. Doch ein flächendeckendes Mindestgehalt birgt noch mehr Vorteile:
- Tarifliche Mindestgehälter wurden in einigen Bereichen schon vor der Mindestlohneinführung gezahlt. Diese nehmen jedoch stetig ab, wodurch nur ein kleiner Teil der Arbeitnehmer davon profitiert. Das änderte sich durch das Inkrafttreten der gesetzlichen Mindestlohnbestimmungen.
- Das sorgt zudem dafür, dass Arbeitnehmer weniger auf Aufstockung durch Hartz IV oder durch ähnliche Leistungen angewiesen sind. Dadurch ist nicht so viel Bürokratieaufwand notwendig und es gibt mehr Lohnsteuereinnahmen – zumindest im Idealfall.
Doch welche Vorteile bringen die Regelungen zum Mindestlohn im Praktikum? Das kann sich, je nach Einzelfall unterscheiden. Alles dazu lesen Sie im nächsten Abschnitt!
Im Praktikum ist der Mindestlohn von bestimmten Faktoren abhängig
Der Mindestlohn ist auch für Praktikanten oft vorgeschrieben. Dabei gibt es jedoch einige recht komplexe Regeln zu beachten, welche der Gesetzgeber aufgestellt hat. So spielt es mitunter eine große Rolle, warum sich Personen dazu entscheiden, als Praktikanten in Unternehmen tätig zu werden. So gilt zwar grundsätzlich, dass der Mindestlohn bei einem Praktikum in Deutschland gezahlt werden muss – es kommen jedoch einige Ausnahmeregelungen zum Tragen.
Auch ein freiwilliges Praktikum rechtfertigt keinen Mindestlohn, wenn der Bezug zur Ausbildung des Betroffenen fehlt und dieses weniger als drei Monate dauert. Geht die zeitliche Dauer jedoch darüber hinaus, müssen Unternehmer gesetzlich festgelegte Mindestlöhne zahlen. Das ist auch für diejenigen entscheidend, welche sich nach drei Monaten als Praktikant dafür entscheiden, eine zweite „Runde“ bei demselben Unternehmen zu drehen. Die Unternehmungsleitung dann den Mindestlohn im zweiten Praktikum bezahlen. Es lässt sich also festhalten:
- Es besteht Anspruch auf Mindestlohn, wenn ein freiwilliges Praktikum, welches länger als drei Monate dauert, zur Berufsorientierung absolviert wird.
- Mindestlohn gilt beim Praktikum nicht, wenn 3 Monate nicht überschritten werden oder die Praktikumstätigkeit im Rahmen einer Ausbildung absolviert werden muss.
- Schreiben Praktikanten im Rahmen ihrer Schnupperwochen ihre Abschlussarbeit, gilt die Tätigkeit allgemeinhin nicht als Pflichtpraktikum. Dann ist wieder die Praktikumsdauer entscheidend.
Generelle Ausnahmeregelungen und illegale Auswege beim Mindestlohn
Es gibt viele Ausnahmen, die nicht nur beim Praktikum einen möglichen Mindestlohn vorschreiben oder freistellen. Diese sind auch auf andere Arbeitsmodelle anzuwenden. So gilt: Unter-18-Jährige haben grundsätzlich keinen Anspruch auf den Mindestlohn, ob als Praktikanten oder als Lehrlinge in einer Ausbildung. Diese Regelung soll vor allem im letzteren Fall dafür sorgen, dass Unternehmer motiviert werden, Lehrlinge auszubilden anstatt ungelernte Kräfte einzustellen.
Des Weiteren ist es erlaubt, dass Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung unter der Mindestlohngrenze bezahlt werden. Arbeitgeber soll die Erleichterung dazu animieren, Arbeitssuchende einzustellen, die schon länger keine Beschäftigung mehr ausgeübt haben. Die Folge sind niedrigere Arbeitslosenzahlen.
Doch nicht nur die gesetzlichen Ausnahmeregelungen sorgen teilweise dafür, dass kein Mindestlohn im Praktikum, in der Ausbildung und in bestimmten anderen Arbeitsverhältnissen gezahlt wird. So kommt es teilweise dazu, dass Listen manipuliert oder falsche Vorgaben gemacht werden, um kein Mindestgehalt zahlen zu müssen.
In manchen Fällen wird sogar zum Schein eine Selbständigkeit vorgegeben, die aber nicht vorhanden ist. Selbstständige haben nämlich ebenfalls kein Anrecht auf Mindestlohn. Gerade auf Baustellen zeigen sich solche illegalen Praktiken immer wieder.
Gehaltsdaten zum Praktikum in Deutschland
Es ist nicht überraschend, dass der Mindestlohn, welcher im Praktikum teilweise zum Einsatz kommen muss, eine positive Entwicklung der Praktikantengehälter mitbeeinflusst hat.
Interessante Daten liefert diesbezüglich der CLEVIS Praktikantenspiegel, welcher auf eine Studie zurückgeht, welche im Zeitraum von Juli bis Oktober 2016 durchgeführt wurde. Über 5.000 Praktikantentätigkeiten wurden dabei analysiert.
Heraus kam unter anderem: Die meisten Praktikanten waren zur Zeit der Schnupperwochen zwischen 23 und 25 Jahre alt und waren Studenten eines wirtschaftlichen Studienganges. Das durchschnittliche Praktikantengehalt lag bei etwa 1.032 Euro im Monat, wobei über 97 Prozent der Praktikumsteilnehmer eine Vergütung erhielten. Knapp 50 Prozent bekamen keinen Mindestlohn, da ein Pflichtpraktikum absolviert wurde.
Dazu kommt, dass die Gehaltsunterschiede, die immer noch zwischen den Geschlechtern bestehen, auch vor Praktikanten nicht Halt machen. Männer verdienen auch hier oft mehr. Dabei ist jedoch zu beachten, dass weibliche und männliche Beschäftigte oft in unterschiedlichen Branchen nach einem Praktikum suchen.
Folgen vom Mindestlohn: Ein Praktikum kann davon negativ beeinflusst werden
Nicht nur in Bezug auf das Arbeitsmodell „Praktikum“ sorgt der Mindestlohn auch weiterhin für kontroverse Diskussionen. Dabei lässt sich nicht bestreiten, dass die Einführung des Mindestlohngesetzes einige positive Entwicklungen begünstigt hat. Arbeit, die un- oder unterbezahlt ist, hat es angesichts der aktuellen Gesetzeslage nicht mehr so einfach wie zuvor. Nicht zuletzt haben vor der Gesetzesänderung vom 01. Januar 2015 vor allem Praktikanten oft Vollzeittätigkeiten ausgeführt und wurden dafür teilweise nicht oder nur wenig entlohnt. Solche Praktiken sind mittlerweile zumindest nur noch eingeschränkt durchführbar.
Es gibt jedoch auch immer wieder kritische Stimmen, welche die Maßnahmen des Gesetzgebers dahingehend verurteilen, dass sie eine negative Auswirkung auf die Praktikumssituation in Deutschland haben. So bezeichnete ein Politiker das Mindestlohngesetz als „das Aus der meisten sinnvollen Studentenpraktika„.
Interessant sind auch weitere kritische Aussagen, die in Bezug auf Praktikum und Mindestlohn diskutabel sind. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Aussagen von Mindestlohnkritikern stammen und nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln:
- Der Mindestlohn ist eine Angelegenheit der Tarifparteien und sollte nicht vom Gesetzgeber bestimmt werden.
- Es ist eine traurige Entwicklung, wenn das bisher in Deutschland sehr gut funktionierende Modell des Zutritts zum Arbeitsmarkt durch die Gesetzesänderungen Schaden nimmt.
- Unabhängig von möglichen Verbesserungen zeigt sich, dass Arbeitgeber weiterhin kreativ in ihren Bemühung sind, den Mindestlohn beim Praktikum zu umgehen.
Nach weit über zwei Jahren des Mindestlohns lassen sich in jedem Fall einige konkrete Folgen erkennen. In allen betroffenen Arbeitsmodellen, also auch im Praktikum, sorgt der Mindestlohn grundsätzlich für mehr Zufriedenheit. Das hat oft eine positive Auswirkung auf das herrschende Betriebsklima und die Arbeitsatmosphäre. Selbst die Wertschätzung durch Vorgesetzte ist angestiegen – so besagen es die Ergebnisse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts.
Dabei muss jedoch auch erwähnt werden, dass etwa 50.000 Praktikantenstellen gestrichen worden sind. Viele Unternehmen geben zu, dass die Mindestlohneinführung der Grund für diese Kürzung der verfügbaren Stellen war. Vor allem größere Unternehmen haben mit Streichungen dieser Art reagiert. Es bleibt abzusehen, ob die vielerorts stattfindende Kürzung auf drei Monate die Praktikumsqualität dauerhaft verschlechtert. Hier stehen die Unternehmen in der Verantwortung, den Lerneffekt zu erhalten.
Mindestlohn im Praktikum in der Schweiz und in Österreich
Es zeigt sich, dass Deutschland beim Praktikum und dem Mindestlohn komplexe Vorgaben besitzt. Doch wie sieht es im Ausland aus? Lohnen sich beispielsweise Praktika in Ländern wie Österreich oder der Schweiz? Wer ein Praktikum in Österreich absolviert, darf tatsächlich nicht in jedem Fall mit einer Bezahlung rechnen, die dem Mindestlohn in Deutschland gleich kommt:
- Der Monatslohn für eine Praktikantenstelle kann auch in Österreich nicht pauschal festgelegt werden.
- Es gibt jedoch Empfehlungen für sinnvolle Praktikantengehälter, an die sich bei weitem aber nicht alle Unternehmer halten.
- Interessierte sollten sich Verträge genau durchlesen und auf Tätigkeiten, Arbeitszeiten und Gehalt achten, um nicht als zu günstige Arbeitskräfte ausgenutzt zu werden.
Wie Österreich verzichtet auch die Schweiz bisher auf die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Folglich können Praktikanten in dem Land ebenfalls nicht erwarten, einen gewissen Grundlohn zu erhalten.
Generell liegt Deutschland mit dem Mindestlohn, der beim Praktikum teilweise vorgeschrieben wird, im europäischen Mittelfeld. Mehr verdienen Arbeitnehmer beispielsweise in Frankreich und Luxemburg.
Wer ein Praktikum im europäischen Ausland absolvieren will, sollte sich jedoch stets genau über die Konditionen informieren, um nicht in finanzieller Nöte zu geraten.
Wer legt beim Praktikum den Mindestlohn fest?
Der Mindestlohn, wie er beim Praktikum und bei anderen Arbeitsmodellen gilt, wird von einer speziell dafür eingeteilten Kommission festgelegt. Diese setzt sich aus einem Vorsitzenden, drei Vertretern der Gewerkschaften und drei Vertretern der Arbeitgeber zusammen. Es ist zudem erlaubt, dass beide Interessenvertreter jeweils einen Wissenschaftler als beratendes Mitglied dazu berufen. Die Kommission arbeitet entsprechend dem Vorbild der britischen „Low-Pay-Commission“ nach. Diese legt jährlich in Großbritannien die Mindestlohnhöhe fest.
Im Mindestlohngesetz sind die Aufgaben der Mindestlohn-Kommission genau festgelegt. Diese ist dafür verantwortlich, im Zweijahresrhythmus die geltenden Vorgaben anzupassen. Dabei ist sie weiterhin verpflichtet, die Auswirkungen des Mindestgehalts auf Arbeitsschutz, Wettbewerbsbedingungen und die Beschäftigung in Bezug auf Regionen, Branchen sowie Produktivität zu beurteilen. Die Ergebnisse dieser Evaluation werden anschließend in einem Bericht zusammengefasst und der Bundesregierung vorgelegt.
Dabei bleibt die Zusammensetzung der Mindestlohn-Kommission nicht immer gleich. Alle fünf Jahre kommt es zu einer Neuwahl, dadurch dass Spitzenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vertreter vorschlagen. Weiterhin ist es gut zu wissen:
- Beschlüsse zu Mindestlohnveränderungen werden auf der Webseite der Kommission veröffentlicht und sind für alle Internetnutzer einsehbar.
- Darin sind alle aktuellen Änderungen inklusive Begründungen für die Entschlüsse enthalten.
Es wird ersichtlich: Der Mindestlohn, welcher im Praktikum teilweise zur Anwendung kommt, wird nicht willkürlich festgelegt. Aktuelle arbeitsrechtliche Erkenntnisse und wissenschaftliche Resultate werden dabei bedacht. So ist es nicht auszuschließen, dass Regeln, die aktuell beim Praktikum den Mindestlohn beeinflussen, in Zukunft noch modifiziert werden.
Verhaltens- und Finanztipps für Praktikanten
Wird im Praktikum kein Mindestlohn gezahlt, kann das für ernsthafte finanzielle Probleme sorgen. Doch selbst bei angemessenen Gehältern können Praktikanten, je nach regionaler Lage, in Schwierigkeiten geraten. Denn ein Zimmer bzw. eine Wohnung und die entstehenden Lebenserhaltungskosten können sich schnell als ein zu großes Hindernis erweisen. Dazu kommt, dass gerade Absolventen es schwer haben, eine Praktikumsstelle zu finden, da viele Unternehmen sich gegen ihre Anstellung in dieser Position aussprechen.
In diesem Szenario stellt sich auch die Frage, ob keine staatlichen Hilfen in Anspruch genommen werden können. Im Fall von Absolventen kann kein Bafög mehr bezogen werden. Es besteht jedoch in manchen Fällen die Möglichkeit, als Absolvent Hartz IV zu beziehen, während ein Praktikum absolviert wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zuständige Mitarbeiter beim Jobcenter einer Praktikantenstelle nur in bestimmten Situationen zustimmen:
- Das liegt daran, dass die Rückkehr ins Arbeitsleben höchste Priorität hat. Ein Praktikum ist generell befristet und endet nicht in einer Festanstellung.
- Der zuständige Sachbearbeiter ist von der Notwendigkeit des Praktikums zu überzeugen. Absolventen, die im Studium kaum oder keine Praxiserfahrungen gesammelt haben, können argumentieren, dass eine passende Praktikumsstelle für die Bewerbungssituation förderlich ist.
- Es ist auch zu beachten, dass Hartz-IV-Empfängern in der Regel höchstens ein Praktikum erlaubt wird, bevorzugt sind kurze dreimonatige Praktika.
Oft ist jedoch mit Widerstand durch verantwortliche Mitarbeiter des Jobcenters zu rechnen. Dann sollten Betroffene von einem Praktikum absehen und lieber nach Umschulungen, Weiterbildungen oder ähnlichen Maßnahmen fragen.